Was tut man während der 32-stündigen Fährzeit?

Erste Antwort: Nichts! Und das ist gut so. Es gehört zu den Besonderheiten der Situation Schiff, dass der Reisende zum Nichtstun verurteilt ist. Egal, was auf der Reise alles getan und gemanaged werden musste – mit der Ankunft im Hafen ist Schluss mit der Eigenaktivität. Von nun an ist man in den Händen des Kapitäns und seiner Crew. Und dieser Situation sollte man sich hingeben.

Zweite Antwort: Reden, wenn man Lust dazu hat. Ist man neugierig genug auf Leute und Geschichten, gibt es eine Menge auf dem Schiff zu erleben. Und schnell werden aus der zunächst anonymen Masse der Passagiere lauter unterschiedliche Individuen.

8 Stunden warten auf die Fähre am Hafenkai kann unterhaltsam sein. Ich bocke mein Moped auf den Hauptständer, lasse mich gemütlich auf den Sitz nieder und harre geduldig der Dinge, die da kommen mögen. Zunächst sind da die anderen Reisenden, die nach und nach eintrudeln. Alle treiben die gleichen Fragen um. Wann kommt die Fähre, wann ist Boarding, stehen wir hier richtig? Ein Spanier mit einer FJ1200 hält neben mir. Nach dem Austausch der wichtigsten Informationen („Nein, die Fähre kommt später. Ja, hier stehen wir richtig.“) erzählen wir von unseren jeweiligen Touren. Er ist mit Freunden durch Frankreich und Italien gefahren. Nun geht’s für ihn zurück nach Hause auf Teneriffa, wo er im Computergeschäft ist. Ihm ist die Warterei aber zu langweilig, er trabt mit einem anderen zum nahe gelegenen Strand.

Schon kommt der nächste Biker an. Ist nicht zu überhören, die Pipes seiner Harley sorgen für die gebührende Aufmerksamkeit. Er sieht mein Nummernschild und quatscht mich gleich an. Ansgar aus dem nördlichen Ruhrgebiet hat sich sein Moped gerade in Deutschland abgeholt und betreibt eine Rockbar, das „Underground“ in El Medano. Wir merken schnell, dass wir beide nicht nur deutsch, sondern auch die gleiche Sprache sprechen, und freunden uns bei ein paar Bierchen an.

 

 

Die vor uns am Kai festliegende spanische Marinefregatte sorgt für weiteren Gesprächsstoff. Unglaublich, wie viele Matrosen, darunter offensichtlich frische Kadetten, an Bord gehen. Das Ablegemanöver gerät zur Peinlichkeit, über die wir fröhlich herziehen. An sich sind militärisch gedrillte Mannschaften ja eine gut geölte Maschine. Aber wehe, wenn da ein unvorhergesehenes Problem auftaucht. Hier ist es die Gangway, mit deren Ablegen man sich sehr unterhaltsam schwer tut. Der erste Versuch mit einem einfachen Seil am Tragarm misslingt trotz 30 bis 40 ziehenden Matrosen kläglich. Nach einer Weile wird ein Flaschenzug geholt. Mit dem wird die schwere Gangway zwar ein Stück angehoben, steckt jedoch gleich wieder fest, weil man versäumt hat, eine Seilverdrehung im Flaschenzug vorher zu entfernen. Also alles wieder ab. 20 Minuten später gelingt zwar nun ein weiteres Stück des Abseilens. Wie jedoch von Ansgar und mir schon vorher fachmännisch vermutet, hängt die Gangway nun an der Bordwand an einem vergessenen Netz erneut fest. Wir gackern fröhlich und leeren die nächste Bierdose auf die verzweifelnde Marine.

 

 

Nachdem die Fregatte endlich abgelegt hat, kommt gegen 21 Uhr tatsächlich unsere Fähre um die Ecke. Ein erhebender Anblick! Sofort entsteht Bewegung unter den Wartenden, alles scharrt nun mit den Hufen. Doch Geduld, die Fähre muss erstmal zwei Stunden entladen werden.

Ich komme mit einem weiteren Paar ins Gespräch, das anhand meines Nummernschildes feststellt, dass wir aus der gleichen Gegend kommen. Die beiden sind nach La Palma unterwegs und waren schon öfter auf der Fähre. Einmal jedoch haben die beiden den Törn schon auf nem Segler gemacht. Muss aufregend gewesen sein.

 

 

Unglaublich, wie nach langer Warterei sofort Hektik entsteht beim Auffahren auf die Fähre und Einnehmen von Parkplatz und Kajüte. Doch das ist schnell erledigt und es entsteht wieder Muße beim ersten Wandern durch’s Schiff. Man kann schnell sehen, wer schon öfter die Fähre genutzt hat (gleich entspannt ins Lieblingseck setzen) und wer wie ich zum ersten Mal drauf ist, weil letztere Gruppe erst mal alles genau in Augenschein nimmt. In der Heckbar treffe ich Ansgar wieder, der ein Pärchen aus Niedersachsen am Tisch hat. Wir erfahren, dass die beiden nach Gran Canaria und da bleiben wollen. Goldkettchen und ein paar Andeutungen lassen erkennen, dass die beiden sich wohl mit der lokalen „Unterhaltungsbranche“ werden arrangieren müssen, wenn sie ihre noch etwas unausgereiften Pläne – noch dazu ohne Spanischkenntnisse realisieren wollen. Wie auch immer, Erfahrungen sind nun mal durch nichts zu ersetzen.

Wir verleben nichtsdestotrotz einen fröhlichen Abend bei Bier und für die anderen drei auch härteren Stoffen. Das wird jedoch einen Beteiligten – verbunden mit einer gehörigen Portion Seekrankheit – für den folgenden Tag außer Gefecht setzen. Und dieser eine war nicht ich :-)

To be continued ...