Rechne ich die 4 Kilometer vor Konstanz hinzu, dann habe ich jetzt genau meine ersten 100 Kilometer auf dem Rhein gepaddelt. Der Fluss ist bisher sehr freundlich zu mir und belohnt meine Paddelei mit herrlicher Landschaft. Meistens geht es an stillen Ufern entlang und nur die Milliardonen von Vögeln sind zu hören. Heute waren viele Milane dabei. Ich lasse mich gern treiben und schaue ihnen zu, wie sie sich langsam in die Höhe schrauben.
Heute hatte ich zwei große Wehre zu überwinden. Eglisau war eine Überraschung. Ich war schon ausgestiegen, um mir den im Flussführer beschriebenen Bootswagen zu holen. Da öffnete sich langsam das Schleusentor. Ein netter Mensch, der es bediente, erklärte mir, dass ich die Schleuse benutzen kann. Er sei nur zufällig da, weil er die automatische Steuerung programmiert habe und nun nach dem Rechten schaue. Die Schleuse kann seit März von den Benutzern über einen Schaltkasten am linken Schleiseneingang bedient werden. Muss ich nach meiner Rückkehr dem DKV-Verlag mitteilen. Das Wehr ist riesig hoch. In der Schleuse wird man 10 Meter abgesenkt und kommt sich winzig zwischen den hohen Wänden vor.
Das zweite Wehr in Reckingen war weniger bequem. Hier muss man gegen ein Frankenstück (wie beim Einkaufswagen) einen Bootswagen holen und das Kajak damit etwa 300 Meter am Wehr vorbei karren. Dahinter ging es dann aber munter mit flotter Strömung weiter. Bis kurz vor Kadelburg nimmt die Strömung stetig zu und im Nu war ich an meinem Tagesziel. Die Ausstiegsstelle liegt ein Stück vor dem Campingplatz. Weil ich zunächst sehen wollte, ob es einen weiteren Landeplatz gibt, trieb ich etwas weiter, nur um dann mit viel Kraft gegen die Strömung wieder zurück zu paddeln. Der Ausstieg besteht aus drei Felsenstufen, die mit dem schweren Boot nur mühsam hoch zu kommen waren. Mein erster kleiner Unfall auf der Tour war denn auch ein aufgeschlagenes Schienbein. Erst am nächsten Tag finde ich dann weiter flußabwärts eine Rampe, die zwar weiter vom Campingplatz, aber wesentlich bequemer zum Aus- und Einsetzen ist.
Dafür habe ich heute eine kleine Bequemlichkeit für meinen Rücken geschaffen. Ein TCM-Kissen (ähnlich Thermarest) macht die Rückenlehne meines Kajaks zu einem sehr viel angenehmeren Freund meines Rückens. Zwar paddle ich meistens vorn über gebeugt, wie das für den Rücken das Beste ist. Aber während der stundenlangen Paddelei will man sich ja auch mal ein Zurücklehnen gönnen.
Ansonsten haben sich meine Muskeln und Sehnen jetzt wieder an die gleichmäßige Bewegung gewöhnt. Das ist auch gut so, denn morgen steht ein etwa 44 Kilometer langes Stück vor mir, bis die nächste Zeltmöglichkeit erreicht ist. Dazu kommt der Koblenzer Laufen, die letzte, etwa 500 Meter lange Stromschnelle im Hochrhein, die ich mir vorher ansehen werde. In einem leichten, beweglichen Wildwasserkajak wäre der Laufen mit Wildwasser II kein Problem. Aber ich bin mit einem langen, schweren Seekajak unterwegs, da kann ich keine Tänzelei um plötzlich auftauchende Felsen veranstalten. Aber ein interessierter Mensch, der mich auf dem Campingplatz ansprach, erzählte, dass wir genügend Wasser haben, sodass kaum Felsen aus dem Wasser kommen werden. Aber vorher ankucken ist immer sicherer.
Ein Problem habe ich dagegen mit den Handyakkus. Mein Ladegerät ist anscheinend hinüber. Auch das Nokialadegerät des hiesigen Campingplatzwartes wollte leider nicht an meinem Commi. Mal sehen, wie ich nun zurecht komme. Ich werde jedenfalls an jeder Station nach einem freundlichen Nokianutzer fragen müssen. Sonst kriege ich meine Berichte nicht mehr raus und nach Hause. Einen Restakku mit etwas Strom bewahre ich auf jeden Fall noch auf, um mal einen Meldeanruf nach Hause machen zu können. Dafür laden die Kameraakkus gerade auf dem Zeltplatz auf.
Ich bin hier zum ersten Mal abends in einer Kneipe. Ist schon interessant, wie schnell das laute Menschenleben einer solchen Kneipe schon nach ein paar Tagen auf dem Wasser sehr ungewohnt ist. Aber immerhin gibt es hier einen angenehmen Platz zum Schreiben und einen leckeren Rotwein. Solche Dinge schätzt man doch wieder mehr, wenn man den ganzen Tag nur Wasser trinkt.
Interessant war heute noch ein Halt im schweizerischen Kaiserstuhl. Mein Boot hatte ich fest an der Kaimauer verzurrt und einen kleinen Gang durch die schöne Altstadt gemacht. Alle Häuser haben hier Namen und es gibt wirklich schöne alte Fachwerkhäuser (es hat Chalets, wie der Schweizer sagt). In einer Ecke des Ortes hat der hiesige Steinbildhauer wundervolle Steinmale (ich vermute, das sind künstlerisch gestaltete Grabmale) ausgestellt. Also schnell ein Foto machen.
Mein Boot ist unversehrt und ein Radwanderer, der hier ebenfalls Pause macht, winkt mir zum Abschied zu.