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Heute habe ich noch einmal Gelegenheit, den Start- und Zielpunkt meiner Rheintour zu sehen. Das Bootshaus der Kehler Paddler-Gilde liegt gleich beim Bahnhof und so ist es ein leichtes, den passenden Zug zu finden, um zu meinem Startpunkt nach Konstanz zurück zu fahren. Dort wartet das Auto auf mich, mit dem soll es dann zurück nach Kehl gehen, um schließlich das Boot und Gepäck aufzuladen und wieder nach Hause zu fahren.
Ich genieße die Zugfahrt durch den Schwarzwald - schon seltsam, dass ich so in 2 3/4 Stunden die Strecke bewältige, für die ich im Kajak elf Paddeltage unterwegs war. Doch Zeit genug, um ein wenig zu bilanzieren:
Ich bin in 11 Paddeltagen 300 Kilometer gepaddelt, habe dabei 23 Wehre, den Rheinfall und zwei Stromschnellen überwunden und ein Gefälle von etwa 250 Metern hinter mir gelassen.Ich habe 12 mal mein Lager auf- und abgeschlagen, mein Boot ist am Ende etwa 13 Kilo leichter durch den Verbrauch der Vorräte und des mitgenommenen Wassers. Es gab lediglich zwei kleine Unfälle: einmal ein aufgeschlagenes Schienbein beim Versuch ein vollbeladenes Boots über zwei Felsstufen auf's Ufer zu heben und eine kleine Brandblase durch ein rutschendes Seil beim Hinablassen des Bootes an einer steilen Böschung.
Ich bin bis zum Rand voll von imponierenden Natureindrücken, die Bilder einzelner Situationen ziehen immer wieder durch meine Erinnerung. Trotzdem ich nur zwei Wochen unterwegs war, habe ich ganz weit weg von meinem Alltag gelebt und einen der intensivsten Urlaube erfahren. Diese Tour wird mich sicherlich noch lange im Innern begleiten.
In Konstanz am Bahnhof angekommen, lockt mich die schöne Stadt noch zu einem Bummel ein. Ich will noch nicht so schnell zum Auto, sondern die Abschlussstimmung auskosten. In der Fußgängerzone spielt ein Straßenmusiker auf seinem Didgeridoo. Ich höre ihm zu, wir unterhalten uns ein wenig und er verleitet mich dazu, sein Didge auszuprobieren und ein paar Töne vor Straßenpublikum zu spielen. Ich hänge jedoch Jahre hinter seinem Können hinterher und überlasse ihm wieder die Show.
Ein paar Straßen weiter holt mich der Ernst des Lebens wieder ein. Einige afrikanische Studenten der Jeunesse sans frontieres weisen auf die Opfer von Landminen hin, einer von ihnen erzählt mir von ihrem Schul- und Ausbildungsprojekt. Ich entschließe mich für eine Spende zugunsten der wichtigen Sache. Zuhause werde ich mich vergewissern können, dass das Geld in die richtigen Hände gegangen ist.
Schließlich komme ich mit dem Bus zum Warteparkplatz meines Autos am Bodensee beim DKV-Campingplatz zurück. Ich bezahle die Parkgebühr, die mit 30 Euro für 12 Tage zwar noch im Rahmen ist. Ich hatte aber gehofft, dass man dem DKV-Mitglied etwas mehr beim Preis entgegen gekommen wäre. Nun habe ich aber Gelegenheit, mit dem Auto die sehr viel bergigere Fahrt durch den Schwarzwald zurück zu genießen.
Ich komme früh in Kehl wieder an, sodass ich mich entschließe noch am selben Tag ein erstes Stück in Richtung Bremen zu fahren. Ein letztes Winken bei der Abfahrt zurück zum Rhein. Du hast mich wohlbehalten hierher gebracht, mir einige deiner schönsten Seiten dabei gezeigt. Vielleicht werde ich dich im nächsten Jahr an der selben Stelle wieder besuchen, um heraus zu finden, wie es mit dir weitergeht. Immerhin heißt es ab kurz hinter Straßburg: mehr Strömung. Und das lockt doch unbedingt zur Fortsetzung. Auf bald also, herrlicher Rhein, vielleicht im nächsten Jahr!
(Mein fertig gepacktes Boot - ein Puffin-Seekayak)
Uff - das war ein hartes Stück Arbeit. Alte Paddlerweisheiten stecken nun als Erfahrung in meinen Knochen. 1 Kilometer stehendes Wasser sind 2 Kilometer fließendes Wasser. Da waren die heutigen knapp 30 Kilometer der ersten Etappe von Konstanz bis Stein am Rhein doch mit einigen inneren Schweinehunden, die überwunden werden wollten, gepflastert.
Nun sitze ich fix und foxi in meinem Zelt und spüre eine Menge Sehnen und Muskel. Besonders mein Rücken hat mir übel genommen, dass ich ihn nicht langsam an solche Strecken herangeführt habe. Ich wusste schon, dass ich in dieser Saison noch nicht trainiert bin. Daher hatte ich vor, die Tour insgesamt ganz locker und ohne Leistungsstress anzugehen. Und 25 Kilometer bis Stein klangen ja nicht viel.
Der Haken war, dass der Rhein tatsächlich nicht fließt. Man stelle sich eine 25 Kilometer lange Hamburger Außenalster vor: weite Wasserflächen, eine Menge Segel und bis auf ein paar Sportbootwellen meistens eine wundervolle leichte Dünung, die dich sanft hebt und senkt. Es gab kaum Wind, sodass ich neben einigen Seglern her paddeln konnte. Doch die Hitze und die untrainierten Muskel zwangen dann doch öfters zu einer Treibepause.
Begonnen hatte der Tag mit einem herzhaften Lacher. Nachdem ich alles im Boot verstaut und zum See hinuntergerollert hatte, wollte ich fröhlich starten. Ich lasse mich ins Wasser rutschen, will die Steuerung runterklappen - Mist, vor lauter Vorbereitungen ist die noch mit nem Gummi fixiert. Wieder Aussteigen will ich nicht, also heisst es einen netten Badegast finden. Der war schnell zur Hand (hatte meinen Start ohnehin sehr interessiert verfolgt) und frei war das Steuer und ich.
Raus auf den See! Ein herrlicher Blick am Sonntagmorgen auf diese riesige Wasserfläche belohnt bereits die weite Anfahrt. In der Ferne schneebedeckte Berge auf der Schweizer Seite. Ich paddle in den Bergen. Etwas völlig Neues für mich. Immerhin ist der Bodensee 400 Meter über Null. Da sollte es eigentlich abwärts rauschen. Tut es aber wie gesagt nicht. Ein kleines Boot mit Außenborder kreuzt sehr langsam meinen Weg. Was schwimmt denn da hinter dem Boot? Hat der seinen Hund baden geschickt? Aber dafür ist das zu groß. "Ist das ein Bodenseefischer?", frage ich einen Segler. "Ja", meint der, "und das hinter ihm sind zwei Netzbojen, die nennt man Hunde." Witzig!
Ich paddle gemütlich die ersten Kilometer um die Konstanzer Ecke im See (daher die -4 km oben). Die offizielle Rheinkilometrierung beginnt erst an der ersten Brücke in Konstanz mit 0. Die Stadt begrüßt mich mit Glockengeläut. Danke, danke, zuviel der Ehre! In Wirklichkeit müssen die Konstanzer jetzt zum Hochamt.
Also ein festlicher, sonniger Sonntag ist mein Starttag. Nach kurzer Zeit fällt mir mein zweiter heutiger Fehler auf - der Paddelhut liegt tief verstaut hinten im Boot. Kein Rankommen jetzt. Dann werde ich heute wohl meinen Kopf schön nass halten müssen, Wasser ist ja genug da. Einen Sonnenstich will ich nicht riskieren. Die Sonne brennt immer heißer.
Kurz hinter Konstanz beginnt ein schönes Naturschutzgebiet mit wiegendem Schilf. Die Ufer sind nah zusammengerückt und ich stelle mich auf Flussgefühl ein. Pustekuchen! Nach wenigen Kilometern verbreitert sich das Ganze und wird zum Untersee des Bodensee. Für Segler ein schönes Revier, nur die schimpfen heute. Kaum Wind, viele müssen motoren.
Die erste Rast nach 11 km, Mückenalarm! Die haben doch tatsächlich jeden Schattenplatz besetzt! In der Sonne lassen sie mich in Ruhe und ich esse schnell mein Brot. Die frühe Rast lässt mich spüren, dass es heute doch anstrengend wird. Aber ich will unbedingt heute bis Stein. Also durchhalten. Bei Kilometer 17 habe ich Glück. Vor mir schwimmt eine Baseballmütze mit großem Schirm, die wohl jemand verloren hat. Klasse, die liegt höchstens einen Tag im Wasser, die setze ich mir auf. Mein heißer Kopf freut sich. Ich denke an den Edersee, wo ich meinen ersten Paddelhut gefunden habe, der, der jetzt hinten im Boot vergraben ist.
Ich halte mich auf der linken, der Schweizer Seite. Da verfahre ich mich nicht. Ich will ja nicht in den Obersee und kreuzen würde ich bei dem vielen Verkehr nur ungern.In einem freundlichen Uferlokal leiste ich mir ein Alster, das man hier selber mixen muss. Schließlich erreiche ich Stein.
(Stein am Rhein)
Vor mir unruhiges Wasser. Tatsächlich: hier verschmälert sich der Rhein, das Flussbett kommt hoch und über eine flache Stelle sprudelt das Rheinwasser in ein Bett mit Strömung. So gehört sich das. Weg ist ein Großteil der Müdigkeit und ich genieße den Anblick dieses schönen Städtchens. Kurz hinter Stein ist mein heutiger Zeltplatz Wagenhausen. Das Boot aus dem Wasser, angemeldet und nach kurzem steht das neue Zelt, das sich wirklich im Handumdrehen aufbauen lässt.
Jetzt noch was essen, duschen und den Tagesbericht schreiben. Und dann fall ich um. Morgen werden mir alle Knochen weh tun ...
Ein sehr erholsamer zweiter Paddeltag! Nach der Plackerei von gestern war mir nach Treibenlassen. Und das ließ sich wunderbar auf diesem kräftig strömenden Stück machen. Da ich die lange Umtragaktion um den Rheinfall morgen früh machen will, standen auch nur lockere 17 Kilometer für heute auf dem Programm. Ich habe mich dabei ausgiebig erholt und den Fluss in vollen Zügen genossen.
Teilweise kam richtig Urwaldstimmung auf. Die Ufer dicht und hoch bewaldet, ein kräftiges und vielstimmiges Vogelgeschrei von überall her aus den Bäumen und sonst über weite Strecken nichts - kein Autolärm, keine Motorboote, Segler gibt es hier ohnehin nicht mehr. Gelegentlich passiert mich eines der Kursschiffe, die hier regelmäßig verkehren. Der Rhein ist aber hier breit genug, sodass unangenehme Situationen aus bleiben.
In Dießenhofen unterquere ich eine schöne, überdachte Holzbrücke. Sowas gab's woanders nur noch vor hundert Jahren. Ich mache kurz halt, bewundere die Brücke und nehme in einem kleinen Seitengraben mitten im Ort mein zweites Frühstück im Boot.
Von den Passanten werde ich immer freundlich und interessiert beobachtet. Ich erinnere mich an frühere Zeiten, als ich solchen Booten hinterher geschaut und gedacht habe: "Sowas könntest Du auch mal machen." Und nun bin ich vielleicht der Anlass für solche Gedanken bei jemand anderem.
Schließlich muss ich mich entscheiden: im Flussführer wird ein schöner und ruhiger Zeltplatz bei Kilometer 37,2 empfohlen. Dann hätte ich heute jedoch kaum Strecke gemacht und müsste morgen erst noch 8 Kilometer nach Schaffhausen fahren, bevor ich umtragen kann. Also fahre ich weiter bis zum Zeltplatz Langwiesen kurz vor Schaffhausen.
Der kommt auch bald in Sicht und ich schaue nach einem Landeplatz aus. Tja, zwar gibt es einen schönen, kleinen Kiesstrand, doch an der einen Seite sitzt scheinbar ein Schwan auf seinem Nest und auf der anderen Seite eine Ente mit ihren Jungen. Dem Schwan lasse ich dann doch lieber das Recht des Stärkeren und fahre vorsichtig bis kurz vor die Entenfamilie. Die schauen nur etwas nervös, lassen mich aber in Ruhe anlanden.
Kaum bin ich aus dem Boot, fängt es an zu regnen. Bei einem Wohnwagenehepaar erkundige ich mich, ob dies der Zeltplatz Langwiesen ist und wie ich zur Rezeption komme. Man gibt freundlich Auskunft und lächelt auch später noch nett, als ich mit Boot auf dem quietschigen Bootswagen übers Gelände zu meinem Platz rollere.
Erst warte ich aber ab, ob der Regen noch nachlässt. Im Nassen ausladen und aufbauen macht ja nun keinen Spaß. Stattdessen leiste ich mir einen Kaffee und ein Stück Kuchen. Lecker! Als ich später noch auf das Regenende unter einem Baum warte, kommt ein anderer Zelter, der wohl mit dem Rad da ist, vorbei und erkundigt sich über das Boot. Er hat wohl im Regen aufgebaut. Ich behaupte ihm gegenüber, spätestens in einer halben Stunde höre der Regen auf. Er gibt mir die Hand und meint: "Abgemacht?" Abgemacht! Muss ich noch erzählen, dass es 25 Minuten später aufhörte? Zwar fing es dann wieder an, nachdem bei mir alles stand, aber das stand ja nicht zur Debatte.
Der Chef de Camping scheint ein lustiger Vogel zu sein. Während ich dabei stehe, erzählt er fröhlich einem älteren Ehepaar in schönstem Schwyzer Duitsch, dass da eben ein deutscher Paddler angekommen wäre und schon habe es angefangen zu regnen. Wir flaxen ein bißchen rum, mir schwirrt der Kopf von dieser lustigen Sprache, von der man nicht immer alles versteht.
Der Zelter von vorhin fragt mich, ob ich im Zelt koche oder mit unter das Regendach eines verlassenen Wohnwagens will. Wie sich heraus stellt, ist er Holländer und heisst Gijsbert (sprich: cheisbert).
Er macht einen vierwöchigen Radurlaub in der Schweiz und ist gestern 123 Kilometer gefahren. War nicht ganz freiwillig, den Zeltplatz, den er ursprünglich ansteuern wollte, gab's nicht mehr. Tja, war gestern auch sein erster Tag. Sind Männer in den Mittvierzigern vielleicht etwas unvernünftig? Wohl ja, aber stolz waren wir beide auf unsere Leistung. Gijsbert macht auch das von meiner Liebsten geforderte Foto von mir. Ich fotografiere dafür ihn und sende ihm das Foto per email.
Morgen also ein Höhepunkt - der Rheinfall von Schaffhausen! Der Zeltplatzinhaber hatte mir die Telefonnummer eines Taxis gegeben, das wohl Paddler samt Boot drumherum fährt. Als ich bei dem jedoch erfuhr, dass er dafür 60 Euro haben will, war der bequeme Weg für mich erledigt. Also wird das Boot morgen fünf Kilometer durch Schaffhausen gerollert und ich locke mich mit einem lange gewünschten Ausblick auf Europas größten Wasserfall.
Ja, so soll es sein. Ein wundervoller Fluss mit schnellen und ruhigen Stücken, ein hinreissender Wasserfall und am Ende ein schöner Platz, wo das Didgeridoo übers Wasser klingt! Wenn man da doch am Abend einfach im Zelt wegschlafen könnte ... . Nix da, erst wird der Tagesbericht geschrieben. Das geht jetzt auch, denn der nette Campingplatzwart lud meinen Commi mit seinem Ladegerät auf, nachdem meins am schweizer Stromanschluss nicht wollte. Hoffentlich lags daran, sonst kriege ich ernsthafte Akkuprobleme, wenn mein Ladegerät nicht mehr geht. Zwei Akkus waren schon leer, das Schreiben frisst doch mächtig Strom.
In Schaffhausen war es trotz Flussführer und Karte nicht ganz leicht die richtige Ausstiegsstelle zu finden. Man muss zwei Durchfahrtverbotsschilder ignorieren und dann kurz hinter der ersten Autobrücke links aussteigen. Hab die Stelle fotografiert und werd den Flussführerverlag über den Fehler informieren.
So begann dann also meine Überwindung des Rheinfalls! Kleine Lektion in Sachen Wandern mit dem beladenen Kajak: Paddelschuhe aus, Turnschuhe an. Ein Seil auf die richtige Länge gebracht hilft sehr beim Ziehen des Bootes. Wichtig auch die richtige Gewichtsverteilung auf dem Bootswagen, sonst kriegt man lange Arme oder das Boot schlägt hinten dauernd runter. Auf kurzer Strecke mag das alles nicht so wichtig sein, aber vor mir liegen 5 Kilometer! Fröhlich ziehe ich also gut vorbereitet los. Schon nach wenigen Metern quietscht der Bootswagen herzergreifend. Na, das kann ja heiter werden! Nach 1 1/2 Kilometern halte ich und - wie ich fürchte - die Bewohner des Dörfchens Flurlingen es nicht mehr aus. Kurzerhand wird das Boot aufgebockt und die Räder abmontiert. Wie vermutet sind die Achsen knochentrocken. Also suche ich meine Butter aus den Tiefen des Bootes. Die war schon vorgestern geschmolzen und hat oben eine schöne Fettschicht. Damit schmiere ich die Achsen kräftig ein. Nach dem erneuten Losfahren gratuliere ich mir zu der Aktion. Mit einem fast lautlosen Boot hinter mir macht die Wanderung schon richtig Spaß. Schwierig wird’s nochmal in der Nähe des Rheinfalls. Der Fußweg geht steil hinauf - ächz, gut, dass ich das Seil habe. Dann geht es wieder steil bergab. Das steilste Stück gehe ich nach links runter zu einer Aussichtsplattform, wo ich den Rheinfall und ein Eis genieße. Dummerweise geht’s hier aber nur mit engen Treppen weiter runter. Nichts für mich und mein 60 Kilo schweres und 5,20 Meter langes Boot. Also dieses höllische Stück wieder rauf und den Rollweg gefunden. Auf dem ganzen Stück sind eine Menge Schulklassen und Touristen unterwegs und wundern sich natürlich über diesen Typ mit seinem Boot. Aber ich will doch nur wieder zum Wasser! Den Vogel schießt ein Tourist ab, der mich beim Einsetzen fragt, ob ich denn noch weiter zum Bodensee fahre!
Der Rheinfall war jedenfalls ein großartiger Anblick. Natürlich frage ich mich, wie wahrscheinlich jeder Paddler, wie es wohl wäre ihn zu fahren. Es bleibt bei der Frage ... . Diesen Wassermassen, die sich an den riesigen Felsen schäumend brechen, sollte man sich wirklich nicht ausliefern. Schade, dass kurz vor dem besten Blick meine Kameraakkus schlapp machten. Aber Bilder vom Rheinfall finde ich ja im Netz genug.
Nach den anschließenden, wunderschönen Rheinschleifen, die mit ihrer Geräuschkulisse wieder stark an Urwald erinnern, kommen die drei Staustufen von Rheinau. Mit Hilfe der Tips im Flussführer war der erste elektrische Bootswagen leicht gefunden. Diese Dinger sind klasse! Man fährt mit dem Kajak auf den ferngesteuert ins Wasser gelassenen Bootswagen und wird dann im Boot sitzend auf die andere Seite gefahren, wo man gleich weiterpaddeln kann. Ich musste vor Freude vor soviel Bequemlichkeit lachen, wie ich da im Boot über drei Wehre gefahren wurde. Ein Gruß an die freundliche Bediendame, die mich über ihre Kameras jeweils kommen gesehen hatte, und weiter geht's auf dem nun wieder fließenden Rhein nach Flaach. Dort ist nach 24 Kilometern für heute Schluss. Eine bequeme Ausstiegsstelle liegt etwas versteckt am Campingplatz. Ich schlage gleich daneben mein Zelt auf und mache mir etwas Leckeres aus der Dose zum Essen. Morgen soll es mal wieder mehr Strecke sein, mal sehen, zu was ich aufgelegt bin. |
Rechne ich die 4 Kilometer vor Konstanz hinzu, dann habe ich jetzt genau meine ersten 100 Kilometer auf dem Rhein gepaddelt. Der Fluss ist bisher sehr freundlich zu mir und belohnt meine Paddelei mit herrlicher Landschaft. Meistens geht es an stillen Ufern entlang und nur die Milliardonen von Vögeln sind zu hören. Heute waren viele Milane dabei. Ich lasse mich gern treiben und schaue ihnen zu, wie sie sich langsam in die Höhe schrauben.
Heute hatte ich zwei große Wehre zu überwinden. Eglisau war eine Überraschung. Ich war schon ausgestiegen, um mir den im Flussführer beschriebenen Bootswagen zu holen. Da öffnete sich langsam das Schleusentor. Ein netter Mensch, der es bediente, erklärte mir, dass ich die Schleuse benutzen kann. Er sei nur zufällig da, weil er die automatische Steuerung programmiert habe und nun nach dem Rechten schaue. Die Schleuse kann seit März von den Benutzern über einen Schaltkasten am linken Schleiseneingang bedient werden. Muss ich nach meiner Rückkehr dem DKV-Verlag mitteilen. Das Wehr ist riesig hoch. In der Schleuse wird man 10 Meter abgesenkt und kommt sich winzig zwischen den hohen Wänden vor.
Das zweite Wehr in Reckingen war weniger bequem. Hier muss man gegen ein Frankenstück (wie beim Einkaufswagen) einen Bootswagen holen und das Kajak damit etwa 300 Meter am Wehr vorbei karren. Dahinter ging es dann aber munter mit flotter Strömung weiter. Bis kurz vor Kadelburg nimmt die Strömung stetig zu und im Nu war ich an meinem Tagesziel. Die Ausstiegsstelle liegt ein Stück vor dem Campingplatz. Weil ich zunächst sehen wollte, ob es einen weiteren Landeplatz gibt, trieb ich etwas weiter, nur um dann mit viel Kraft gegen die Strömung wieder zurück zu paddeln. Der Ausstieg besteht aus drei Felsenstufen, die mit dem schweren Boot nur mühsam hoch zu kommen waren. Mein erster kleiner Unfall auf der Tour war denn auch ein aufgeschlagenes Schienbein. Erst am nächsten Tag finde ich dann weiter flußabwärts eine Rampe, die zwar weiter vom Campingplatz, aber wesentlich bequemer zum Aus- und Einsetzen ist.
Dafür habe ich heute eine kleine Bequemlichkeit für meinen Rücken geschaffen. Ein TCM-Kissen (ähnlich Thermarest) macht die Rückenlehne meines Kajaks zu einem sehr viel angenehmeren Freund meines Rückens. Zwar paddle ich meistens vorn über gebeugt, wie das für den Rücken das Beste ist. Aber während der stundenlangen Paddelei will man sich ja auch mal ein Zurücklehnen gönnen.
Ansonsten haben sich meine Muskeln und Sehnen jetzt wieder an die gleichmäßige Bewegung gewöhnt. Das ist auch gut so, denn morgen steht ein etwa 44 Kilometer langes Stück vor mir, bis die nächste Zeltmöglichkeit erreicht ist. Dazu kommt der Koblenzer Laufen, die letzte, etwa 500 Meter lange Stromschnelle im Hochrhein, die ich mir vorher ansehen werde. In einem leichten, beweglichen Wildwasserkajak wäre der Laufen mit Wildwasser II kein Problem. Aber ich bin mit einem langen, schweren Seekajak unterwegs, da kann ich keine Tänzelei um plötzlich auftauchende Felsen veranstalten. Aber ein interessierter Mensch, der mich auf dem Campingplatz ansprach, erzählte, dass wir genügend Wasser haben, sodass kaum Felsen aus dem Wasser kommen werden. Aber vorher ankucken ist immer sicherer.
Ein Problem habe ich dagegen mit den Handyakkus. Mein Ladegerät ist anscheinend hinüber. Auch das Nokialadegerät des hiesigen Campingplatzwartes wollte leider nicht an meinem Commi. Mal sehen, wie ich nun zurecht komme. Ich werde jedenfalls an jeder Station nach einem freundlichen Nokianutzer fragen müssen. Sonst kriege ich meine Berichte nicht mehr raus und nach Hause. Einen Restakku mit etwas Strom bewahre ich auf jeden Fall noch auf, um mal einen Meldeanruf nach Hause machen zu können. Dafür laden die Kameraakkus gerade auf dem Zeltplatz auf.
Ich bin hier zum ersten Mal abends in einer Kneipe. Ist schon interessant, wie schnell das laute Menschenleben einer solchen Kneipe schon nach ein paar Tagen auf dem Wasser sehr ungewohnt ist. Aber immerhin gibt es hier einen angenehmen Platz zum Schreiben und einen leckeren Rotwein. Solche Dinge schätzt man doch wieder mehr, wenn man den ganzen Tag nur Wasser trinkt.
Interessant war heute noch ein Halt im schweizerischen Kaiserstuhl. Mein Boot hatte ich fest an der Kaimauer verzurrt und einen kleinen Gang durch die schöne Altstadt gemacht. Alle Häuser haben hier Namen und es gibt wirklich schöne alte Fachwerkhäuser (es hat Chalets, wie der Schweizer sagt). In einer Ecke des Ortes hat der hiesige Steinbildhauer wundervolle Steinmale (ich vermute, das sind künstlerisch gestaltete Grabmale) ausgestellt. Also schnell ein Foto machen.
Mein Boot ist unversehrt und ein Radwanderer, der hier ebenfalls Pause macht, winkt mir zum Abschied zu.
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